Es hilft ja nichts. Quer mit dem Rad durch die Stadt – mich in eine Wahlkampfveranstaltung der Grünen zur Europawahl gedrängt und danach brav hinten angestellt, um Robert Habeck die eine Frage zu stellen:
Warum nennt ihr es nicht Klimabonus?
Klimabonus – es gibt die Idee schon recht lange. CO2 bekommt einen Preis, idealer Weise mit Hilfe einer CO2-Steuer und diese Einnahmen werden pro Kopf allen Bundesbürgern zurückgegeben. Betroffen sind alle fossilen Energieträger: Strom aus Kohle und Gas, Heizen mit Gas und Öl, Mobilität basierend auf fossilen Verbrennungsmotoren. Spannend wird das ganze, wenn man ausrechnet, wer hierbei die Gewinner und wer die Verlierer sind. Gewinnen werden nämlich Familien mit kleinen Einkommen. Nicht nur weil sie durch die pro Kopf Auszahlung ein Vielfaches des Klimabonus erhalten, sondern auch weil sie einen relativ niedrigen CO2 Fußabdruck haben. Sie können sich keine luxuriöse, große Wohnung leisten, keinen SUV mit viel PS fahren, keine teuren Kreuzfahrten oder viele Fernreisen machen. Bei alleinstehenden Großverdienern sieht die Sache da schon anders aus.
Genau ausgerechnet hat es das Mercator Institute for Global Commons and Climate Change (MCC). Leiter des MCC ist Ottmar Edenhofer, der Direktor des Potsdam Institut für Klimafolgeforschung (PIK). Ein paar Beispiele auf ein Jahr gerechnet:




Das recht überraschende Ergebnis ist, dass sozial schwache Familien je mehr profitieren würden, je höher der Preis für eine Tonne CO2 wäre. Klingt verrückt, aber ist mathematisch korrekt. Kurz gesagt, ist der Klimabonus ein Bonus für sozial Schwache und für die, die sich besonders umweltfreundlich verhalten. Und gleichzeitig eine Reichensteuer. Er ist also eben nicht unsozial.
Das sieht leider in der Öffentlichkeit und in den Medien genau anders herum aus. Die Grünen, als Verfechter dieser Idee, werden selbst von der SPD als unsozial ob ihrer hohen CO2 – Preisforderung gescholten.
Das läuft einfach schlecht. Die, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen, lesen die Überschrift „Grüne wollen hohen CO2 Preis“ und wenden sich sofort ab und fürchten mal wieder vom Staat abgezockt zu werden. Nach dem Motto, alle Annehmlichkeiten des Lebens können sich dann nur noch die Reichen leisten.
In die gleiche Kerbe stoßen natürlich auch Parteien wie die FDP, die eigentlich nicht im Verdacht steht, sich für sozial Schwache einzusetzen und befeuern das unsoziale Mantra dieser Idee…
Meine eindringliche Bitte an die Grünen: Nennt es Klimabonus. So tickt nun mal der Mensch. Hört er das Wort Bonus ist er ganz Ohr. Bei dem Wort Steuer legt er die Ohren an und wählt eine andere Partei.
Und wenn das alles noch nicht schlimm genug wäre, setzt die GroKo der ganzen Sache noch die Krone auf. Denn ihr Klimapaket hat nicht nur einen geringen CO2 Preis ohne echte Lenkungswirkung, sondern auch keine pro Kopf Rückzahlung. Und erfüllt damit viel eher den Tatbestand unsozial zu sein. Merkt aber keiner und sagt auch keiner.
Und ja, es gibt bestimmt denjenigen, der wenig verdient, auf dem Land wohnt und sich nur eine schlecht gedämmte Wohnung leisten kann. Auch dafür gibt es Lösungen. Zum Beispiel schlägt das PIK eine Härtefallregelung vor. (Siehe Kapitel 8 in [2]) Zudem fällt mir dazu ein, dass die immer größere Schere zwischen Arm und Reich bestimmt nicht durch eine übertriebene Klimapolitik der letzten 30 Jahre verursacht wurde. Einer besseren Sozialpolitik bedarf es völlig unabhängig einer guten Klimapolitik.
Ach so. Was hat eigentlich Robert Habeck, der Bundesvorsitzende der Grünen, auf meine Frage geantwortet? Nun, man sei ja inzwischen von der Bezeichnung CO2-Steuer zu CO2-Preis übergegangen. Über meinen Vorschlag möchte er aber noch mal nachdenken. Ich fürchte die beschriebene öffentliche Reaktion und die letzten Wählerumfragen zeigen, dass auch das Wort CO2-Preis ein falsches Signal setzt. Das Konzept „Klimabonus“ ist eben sozial- und umweltgerecht und mit dem richtigen Schlagwort wird es sich den Wählern besser vermitteln lassen.
Quellen:
[1] Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) Artikel „CO2-Bepreisung zum Klimaschutz ist sozial gerecht machbar“ – 13.05.2019
https://www.pik-potsdam.de/aktuelles/nachrichten/co2-bepreisung-zum-klimaschutz-ist-sozial-gerecht-machbar
[2] MCC-PIK-Expertise für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung „Optionen für eine CO2-Preisreform“ – 13.07.2019
https://www.mcc-berlin.net/fileadmin/data/B2.3_Publications/Working%20Paper/2019_MCC_Optionen_f%C3%BCr_eine_CO2-Preisreform_final.pdf
WebLinks zum Thema:
TU Berlin – Climate Lecture 2019 „Zwischen Klimademos und Klimakabinett – wie die CO2-Bepreisung gelingen kann“ Vortrag Ottmar Edenhofer und Podiumsdiskussion u.a. mit Luisa Neubauer und Jakob v. Weizsäcker– 19.09.2019
https://youtu.be/Cp6uqmxmRHI